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2018 19 Stefan Glowacz Grönland

2018 19 Stefan Glowacz Grönland

Grönland - Profi­berg­steiger, Extrem­kletterer und LOWA-PRO-Team-Athlet Stefan Glowacz setzte sich im Sommer und Herbst 2018 eine besondere Expedition zum Ziel: Einmal Grönland und zurück – und zwar per Boot, auf Skiern und per Kite.

Von Küste zu Küste

Grönland - Profi­berg­steiger, Extrem­kletterer und LOWA-PRO-Team-Athlet Stefan Glowacz setzte sich im Sommer und Herbst 2018 eine besondere Expedition zum Ziel: Einmal Grönland und zurück – und zwar per Boot, auf Skiern und per Kite.

Am 11. Juli 2018 um halb zehn Uhr morgens ging es an der Westküste Schottlands los: Das Segelboot „Santa Maria“ stach in See und das Abenteuer begann. Begleitet wurde Glowacz auf dieser Expedition von Philipp Hans, Thomas Ulrich und der Schiffscrew um Skipper Wolf Kloss, Sohn Dani Kloss und Maat Jan Kiehne. Während sich Glowacz und seine Crew über das grön­län­dische Inlandeis kämpfen wollten, hatte die Schiffscrew die Südspitze Grönlands auf dem Plan – circa 1.800 Seemeilen. Gut einen Monat hatten beide Teams Zeit, sich am verein­barten Treffpunkt Scores­bysund an der Ostküste wieder­zu­treffen. Doch bereits zu Beginn der Expedition kam der Zeitplan ins Wanken. Zuerst musste das Segelboot starken Stürmen trotzen und zusätzlich erschwerten Eisberge, Nebel und Nordwind an der Westküste von Grönland die Reise. Bevor das grön­län­dische Festland erreicht wurde, hatte die Unter­nehmung bereits zehn Tage Verspätung. In der Diskobucht im Atta Sund gingen Glowacz, Hans und Ulrich erstmals an Land. Hier trennten sich die Wege der beiden Crews.

DAS WETT­RENNEN BEGINNT

Etwa 30 Tage Zeit hatten sich Glowacz, Hans und Ulrich für die Über­querung des Inlandeises gegeben. Ein aben­teu­er­liches Vorhaben, das nur durch den Einsatz von Kites denkbar war. Die Bedin­gungen waren allerdings extrem. Die Tempe­raturen sanken auf minus 40 Grad Celsius. „Morgens, wenn ich den Arm aus dem Schlafsack nahm, hatte ich das Gefühl, in eine Tief­kühltruhe zu greifen. Das Problem war, dass ich mit dem rest­lichen Körper gleich hinter­her­springen musste“, beschreibt Stefan Glowacz die eisigen Tempe­raturen. Der Fahrtwind während des Kitens tat sein Übriges, um die Männer noch weiter abzu­kühlen. Doch jeder Kilometer mit den Kites ersparte ihnen mühsame Fußwege. Sie kamen gut voran und die anfäng­lichen Bedenken und die Sorgen, es nicht zu schaffen, waren plötzlich wie verflogen: Das Inlandeis-Team schaffte die ange­setzten 1.000 Kilometer besser und schneller als erwartet.

AUSSTIEG AUS DER CREW

Bei der Schiffscrew lief es während­dessen leider nicht so gut. Anfang September lag die „Santa Maria“ immer noch im Fjord von Tasiilaq, über 700 Seemeilen vom Treffpunkt entfernt. Maat Jan hatte sich eine Infektion am Finger zugezogen und musste in der Stadt behandelt werden. Die langsam begin­nenden Herbst­stürme sorgten zudem dafür, dass das Segel­schiff nicht weiter­fahren konnte. Die Expedition stand auf der Kippe. Doch einige Tage später kam die Entwarnung: Die „Santa Maria“ konnte ihre Reise fort­setzen. Maat Jan musste leider aufgrund seiner Verletzung aussteigen, doch Skipper Wolf segelte mit seinem Sohn Dani weiter.

SIE HABEN ES GESCHAFFT

Glowacz, Hans und Ulrich standen somit am 17. September in ihrem Camp 100 Meter über dem Wasser und sahen die „Santa Maria“, wie sie hinter einem Eisberg in die Bucht einfuhr. Beide Crews hatten es geschafft. Gemeinsam traten sie den Rückweg an. Nach kurzen Nächten, meterhohen Wellen­bergen und heftigen Herbst­stürmen erreichte schließlich die fast komplette Crew nach gut drei Monaten am 6. Oktober den Hafen von Mallaig an der Westküste Schottlands.

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„Ich habe Dimen­sionen in den Wüsten aus Wasser und Eis kennen­gelernt, die ich nie für möglich hielt. Am Morgen aus dem Zelt steigen und nichts anderes zu sehen als eine weiße Ebene bis zum Horizont. Am Kite hängen und den Schnee unter meinen Skiern vorbei­sausen sehen. Am Abend nach zehn Stunden im Sturm wieder ins Zelt kriechen und mich sicher fühlen. Diese Augen­blicke werde ich nie vergessen. Sie bedeuten für mich den wahren Reichtum des Lebens.“

OHNE KITES WÄRE DIE EXPEDITION KAUM ZU SCHAFFEN GEWESEN

Ich habe Dimensionen in den Wüsten aus Wasser und Eis kennengelernt, die ich nie für möglich hielt. Am Morgen aus dem Zelt steigen und nichts anderes zu sehen als eine weiße Ebene bis zum Horizont. Am Kite hängen und den Schnee unter meinen Skiern vorbeisausen sehen. Am Abend nach zehn Stunden im Sturm wieder ins Zelt kriechen und mich sicher fühlen. Diese Augenblicke werde ich nie vergessen. Sie bedeuten für mich den wahren Reichtum des Lebens.

EINE EINZIGE QUAL

Die "Von-Küste-zu-Küste"-Expedition war ein Erfolg. Doch Stefan Glowacz konnte diesen nicht so recht feiern. Auf seiner Expeditionsliste stand ein weiterer Punkt, den er nicht abhaken konnte: die Erstbegehung einer Big Wall in Grönland. Doch die anhaltenden Schneefälle ließen keine Hoffnung auf das Erreichen dieses Ziels zu.

FEHLDENDES PUZZLESTÜCK

Das fehlende Stück, das Glowacz zum erfolg­reichen Abschluss des Aben­teu­er­puzzles Grönlands noch fehlte, sollte im Jahr 2019 eingesetzt werden: die Erst­be­gehung der 1.300 Meter hohen Nordwand des Grundt­vigs­kirken (1.977 Meter) an der Ostküste Grönlands. Start der Expedition ist wieder Anfang Juli in Starnberg. Dieses Mal geht es per Bahn nach Schottland und von dort wieder mit der „Santa Maria“, dem Schiff aus der Vorjah­res­ex­pedition, über Island nach Grönland. Auch bei dieser Reise soll der ökolo­gische Fußabdruck so gering wie möglich gehalten werden. Nach ein paar Tagen Verzö­gerung konnte die Seil­schaft um Stefan Glowacz, Philipp Hans, Markus Dorfleitner, Christian Schlesener und den Foto­grafen Moritz Atten­berger sowie der Schiffscrew Ende Juli in Grönland anlegen und am 1. August das Basislager am Fuße des Grundt­vigs­kirken einrichten.

GLÜCK IM UNGLÜCK

Gleich am nächsten Morgen war es dann endlich soweit. Früh­morgens machten sich die Kletterer auf den Weg vom Basislager zum Einstieg an der Nordwand. Stefan Glowacz und Philipp Hans, der bereits ein Jahr zuvor bei der Expedition dabei war, durften als erstes in die Wand einsteigen, während die restliche Mann­schaft unten am Einstieg bei einer Glet­scher­moräne wartete. Der Plan war simpel: Aufgeteilt in zwei Teams sollte in Abständen von ein bis zwei Tagen an der Wand gear­beitet werden. Doch dieser Plan sollte sich nicht erfüllen. Nach etwa 50 Metern, als Stefan gerade zwei Standhaken bohrte und Seil darin fixierte, knackte es lautstark. „Auch die Jungs unten auf dem Gletscher hörten es und jeder ging davon aus, dass dieses Geräusch vom Glet­schereis kam“, erklärt der LOWA-PRO-Team-Athlet die brenzlige Situation. Doch als es kurz darauf erneut knackte, war Stefan klar: Es war nicht der Gletscher! „Ich stehe völlig unge­schützt und fest fixiert am Standplatz. Kein Vorsprung befindet sich in meiner Nähe, unter den ich bei Stein­schlag flüchten könnte. Es knackt ein drittes Mal, wesentlich lauter als zuvor. Panik steigt in mir auf. Ich weiß in diesem Moment, dass etwas Schreck­liches jeden Augenblick passieren wird, es geht nur noch um die Frage in welcher Dimension: Ein paar Steine oder eine ganze Stein­lawine?“, notiert der Extrem­kletterer in sein Tagebuch. Es sollte zum Schlimmsten kommen. Etwa 100 Meter über den beiden brach lautlos eine tischgroße Granit­platte aus dem Felsen und raste auf Stefan und Philipp, der 15 Meter unter Stefan in der Wand hing, zu. Jetzt konnten sie sich nur noch so fest wie möglich gegen die Wand drücken und beten. Sie hatten Glück! Etwa 50 Meter über ihnen zerbrach die Platte an einem Fels­vor­sprung: „Wie Geschosse zischen die Brocken links, rechts und hinter uns in die Tiefe. Dumpf schlägt ein Stein auf meinem rechten Ober­schenkel ein, gefolgt von einem stechenden Schmerz. Dann der nächste Einschlag auf meinem rechten Unterarm, “ doku­mentiert Glowacz den Stein­schlag. „In diesem Augenblick spürte ich keine Angst oder Panik, ich war einfach nur voll­kommen gefasst. Die Einschläge um mich herum wurden weniger und plötzlich herrschte nur noch Stille. Immer noch harrte ich in meiner Position aus und wartete auf die nächsten Brocken. Mir wurde durch den Schock übel, als ich mich langsam aufrichtete. Ich hatte Angst davor, nach Philipp zu schauen, aber wie durch ein Wunder hatte er nur einen ‚Streif­schuss‘ am Ober­schenkel abbe­kommen“, erklärt Stefan erleichtert. Unter Schmerzen und mit blutenden Wunden ging es nur noch darum, so schnell wie möglich von der Wand wegzu­kommen. Auf der Moräne nahmen die Wartenden Stefan und Philipp in Empfang und versorgten Stefans Wunden. Ein Teil kehrte ins Basislager zurück, während Philipp und Christian es nochmal an zwei anderen Stellen versuchten. Vergebens! Auch der Versuch am nächsten Tag blieb erfolglos – die Nordwand ist zu brüchig und dadurch zu unkal­ku­lierbar.

SUFFER AND SMILE – BOYS DON’T CRY

Das Team entschied auf den Südgrat auszu­weichen und es in der Südwand zu versuchen. Gesagt, getan! Am 6. August ging es los – auch Stefan ließ es sich nicht nehmen und wollte unbedingt dabei sein. Unter Schmerz­mitteln und nur mit Hilfe seiner Team­kollegen, die ihm Gepäck abnahmen und ihn immer wieder aufbauten und moti­vierten, war daran überhaupt zu denken. Denn, auch wenn Stefan Glowacz schon sehr viele Touren und Expedi­tionen über­standen hat, dieses Erlebnis in der Wand war nicht spurlos an ihm vorüber­ge­gangen. „Ich bin völlig verun­sichert. Bei jedem Schritt, bei jedem Tritt und Griff hadere ich mit mir. Immer wieder steigt an besonders ausge­setzten Stellen Panik in mir auf. Es ist eine einzige körperliche und seelische Qual“, schildert der LOWA-PRO-Team-Athlet seine Gefühlslage. Am späten Abend erreichten sie die Stelle, die sie für das Biwak auserkoren hatten. Am nächsten Morgen ging es weiter und obwohl sie gut vorankamen, dauerte es bis kurz nach Mitternacht, bis Stefan Glowacz und seine Team­kollegen Philipp Hans, Markus Dorfleitner, Christian Schlesener und der Fotograf Moritz Atten­berger nach 16 Stunden den Gipfel erreichten.

Der Abstieg erfolgte über die gleiche Route, die sie zuvor bereits genommen hatten. An ihrem Biwakplatz legten sie eine kurze Pause ein, um dann kurz vor Mitternacht wieder am Basislager anzu­kommen. Sie hatten es geschafft. Das Aben­teu­er­puzzle Grönland war vollendet. Der Name der Tour stand nach einem Glas schot­tischen Whiskeys schnell fest: suffer and smile – boys don’t cry!

„Im Osten deutet ein blutroter Streifen bereits wieder der den Aufgang der Sonne an, die eigentlich nie unter­gangen ist. Im Norden schimmern unzählige, riesige Eisberge im diffusen blau der nicht exis­tieren Nacht. Es ist voll­kommen windstill, und ich bin einfach nur glücklich und dankbar in diesem Moment. Vor allem den Jungs, ohne deren Einsatz, Zuspruch und Hilfe ich nie auf den Gipfel gekommen wäre!“

FAKTEN & DATEN

  • DAUER:

    3 Monate

  • SCHWIERIGKEIT:

    1000 km

  • KLIMA:

    Polar

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