Schreckmoment in eisiger Höhe
China - Zusammen mit Luka Lindič hat sich LOWA-PRO-Team-Athletin Ines Papert vorgenommen, ihren ersten 8.000er zu besteigen: Und zwar die Shishapangma-Südwand – im Alpinstil versteht sich. Doch schon kurz nach Beginn ändert sich die komplette Expedition innerhalb weniger Stunden
Die Shishapangma-Südwand ist ein Klassiker unter den Extremen. Sie weist steile und technisch hoch anspruchsvolle Kletterei auf. Nur sehr wenige Teams wagen die Besteigung über die schwierige Südwand. So wundert es nicht, dass Ines und Luka die einzigen sind, die es in diesem Jahr versuchen. Mit etwas Unterstützung erreichen die beiden am 17. April das Basislager auf 5.300 Meter.
„Ab hier sind wir für alles selbst verantwortlich. Keine Sherpa, keine Fixseile, kein Flaschensauerstoff. Wir klettern im kleinen Team.“
Bevor es an die Shishapangma-Südwand geht, müssen sich die zwei Athleten aber noch akklimatisieren. Dafür hat sich das Team den Nyanang Ri (7.071m) ausgesucht, der über einen Grat mit der Shishapangma verbunden ist. Das benötigte Material wird an den Berg transportiert, das Wetterfenster scheint ausreichend zu sein. Also beginnen sie am 30. April mit der Besteigung. Auf 6.300 Metern errichten sie ihr zweites Biwak, welches sie in einer Gletscherspalte unterhalb der Flanke platzieren. Sicher und gut geschützt, so erinnert sich Papert später an ihr Gefühl bei der Wahl des Schlafplatzes. Doch der unaufhörliche Schneefall über die ganze Nacht soll dies schnell ändern.
Am Morgen, gegen 5 Uhr, so erinnert sich die LOWA-PRO-Team-Athletin, beginnt die gesamte Flanke zu rutschen: eine Lawine!
INES UND LUKA RETTEN, WAS ZU RETTEN IST...
„Wir schreckten aus dem Schlaf hoch, als wir merkten, was gerade passierte. Sofort erkannten wir den Ernst der Situation. Während Luka über den Eingang das Zelt verließ, riss ich panisch ein Loch ins Zelt, denn die Luft wurde bereits knapp. Auf meinen Körper drückte schon die Schneelast, ich wollte nur noch weg. Luka zog mich aus dem Zelt und so standen wir beide in Socken draußen und mussten zusehen wie unser Zelt unter der Schneelast verschwand. Luka rettete im letzten Moment unsere Schuhe.“
AUF DER SUCHE NACH ZUFLUCHT
Sie suchen in einer nahegelegenen kleinen Eishöhle Zuflucht und warten darauf, dass sich das Wetter beruhigt. Sobald das Wetter es zulässt, schaufelt sich Luka Lindič auf der Suche nach ihrer Ausrüstung durch die Schneemassen – ohne sie sitzen sie auf dem Berg in der Falle. Zwei lange Stunden später können sie das Material aus dem völlig zerstörten Zelt bergen und beginnen mit dem Abstieg.
Ines erinnert sich, dass sie trotz ihrer Erfahrung nicht unbeeindruckt sind. „Wir standen tagelang unter Schock, doch wir beschlossen die Expedition fortzusetzen. Wir sind Kletterer und Bergsteiger, der Grund lässt sich rational nach einem solchen Erlebnis nicht erklären. Doch wie damit umgehen ohne ständig in Panik zu geraten? Es folgten viele Gespräche, die zu dem Ergebnis führten: Wir bleiben. Doch unser eigentliches Ziel, die Shishapangma, rückte jetzt schon in weite Ferne“, versucht es Ines in Worte zu fassen. Einen weiteren Versuch am Nyanang Ri wagen Papert und Lindič nicht: Ihr neues Ziel ist der Pungpa Ri.
„Wir beschlossen, ein neues Ziel ins Auge zu fassen und uns an die undurchstiegene Westwand des Pungpa Ri zu wagen.“
KEIN GLÜCK AUF DEM WEG ZUM GIPFEL
Aber auch das zweite Ziel, der Gipfel des Pungpa Ri (7450m), ebenfalls mit der Shishapangma verbunden, beschert den Athleten kein Glück. Nahezu tägliche Schneefälle machen die Planung schon im Vorfeld extrem schwierig. In einem kleinen Wetterfenster Mitte Mai – das geringeren Schneefall dafür aber hohe Windgeschwindigkeiten und eisige Temperaturen um die –28 Grad Celsius am Gipfel voraussagt – steigt das Team unter Auslassung des ABC bis auf 6500 Meter. Am nächsten Morgen sollen die verbleibenden 1000 Höhenmeter folgen, doch daraus wird auch in diesem Fall nichts.
„Schon beim Anlegen des Klettergurtes verlor ich das wenige Gefühl in den Fingern, und fragte mich, wie ich es auf den Gipfel schaffen sollte. Dennoch stiegen wir ein wenig höher. Bald erkannte ich, dass ich es nicht schaffen würde. Ein entsetzliches Gefühl der totalen Kraftlosigkeit machte sich breit.“
SCHWIERIGE BEDINGUNGEN AM BERG
Zu ihrer eigenen Sicherheit beschließen Papert und Lindič auch diesen Besteigungsversuch zu beenden – noch so einen Moment wie am Nyanang Ri wollen die erfahrenen Athleten nicht riskieren. Nach den Erlebnissen am Nyanag Ri, den instabilen Wetterverhältnissen über die ganze Zeit der Expedition und der Tatsache, dass sie sich nicht ausreichend akklimatisieren konnten, beendet das Team Papert und Lindič schlussendlich die gesamte Expedition vorzeitig.