Im Sommer 2019 ging es für Gietl, Huber und Boissenot, aber ohne Treppte, wieder zum Choktoi. Aber nicht nur die Seilschaft hatte sich etwas geändert, auch das Ziel war nun ein anderes. Sie ließen den Gletscher und die Faszination der Nordwand des Latok I hinter sich und wollten sich stattdessen an seinem östlichen Nachbarn, dem Latok III versuchen – eine gute Gelegenheit, da die Erstbegehung der Japaner schon 40 Jahre zurückliegt.
SIMON BEREITET SICH AUF DEN LATOK III VOR
Ganz seiner Philosophie folgend gibt es für Simon Gietl nur eine Art einen Berg zu besteigen: die traditionelle Absicherung mit Friends, Keilen und Normalhaken.
Doch danach sah es beim Start der Expedition nicht aus. Nach gut zwei Wochen war alles bereit für das große Abenteuer. „Kurz gesagt, das Wetter könnte nicht schöner sein und die Vorfreude es endlich anzugehen, war grenzenlos“, schwärmt der LOWA-PRO-Team-Athlet über die Anfänge der Expedition. Um Mitternacht, im Schein der Stirnlampen, startete die Seilschaft andächtig vom Basislager aus in Richtung Einstieg – doch über den Grund der Ruhe sprach zu diesem Zeitpunkt niemand. „Wir konnten, oder wollten, nicht wahrnehmen, dass es einfach so extrem warm war“, erklärt Simon die Stimmung. Als sie beim Einstieg alles für das Klettern vorbereitet hatten, hörten sie ihn bereits: den ersten großen Felsschlag. Da es, abgesehen von den Lichtkegeln der Stirnlampen, noch stockfinster war, war das laute und unangenehme Geräusch das einzige Indiz: „Ist es vielleicht zu warm?“ Doch das konnte oder sollte nicht sein. Die Motivation war zu groß, um gleich wieder zurückzugehen. „Wir stiegen weiter, aber der aufgeweichte Schnee erinnerte uns Schritt für Schritt daran, dass es einfach zu warm war. Trotzdem kamen wir gut voran. Ich war einfach glücklich, wieder hier zu sein. Auf diesem Berg, der mir so viel gibt und bedeutet“, berichtet Gietl über den Grund das Wetterthema zu ignorieren. 100 Meter! So viel mehr hat die Seilschaft im Vergleich zum Vorjahr geschafft. „Als die Sonne dann aufging, war Schluss mit lustig. Wir mussten akzeptieren, dass uns das Gefühl schon vom Start an nicht getäuscht hatte. Es war einfach zu warm und bei solchen Verhältnissen hatten wir hier absolut gar nichts verloren“, muss der Alpinist enttäuscht zugeben.